Anhang zur Konzeption der Erzieher-Eltern Kindertagesstätte "Sausebrause" e.V. (11/2017)
Schutzkonzept
Unser Schutzkonzept basiert auf dem respektvollen und freundlichen Umgang miteinander. Es formuliert die pädagogischen Ansichten des Erziehers Team und ist Grundlage ihres Handelns. Dem Team der "Sausebrause" e.V. ist es wichtig, dass die Kinder eine sichere und behütete Umgebung haben, in der sie sich im Rahmen miteinander verabredeter und transparenter Regeln frei entfalten können. Wir haben die große Verantwortung einen Ort zu garantieren, in dem sich das Kind ohne Angst vor Übergriffen ausleben kann und bestmöglich geschützt fühlt.
Gemäß § 1631 Abs. 2 BGB haben Kinder ausdrücklich ein „Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ Gesetzlich ist der Kinderschutzauftrag für Kindertageseinrichtungen in den
§§ 1 Abs. 3 und 8a des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG/SGB VIII) festgeschrieben. Von Kindeswohlgefährdung spricht man dort, wenn das geistige, seelische oder körperliche Wohl des Kindes gefährdet ist und die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden.
Der Bundesgerichtshof definiert sie "als eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt". Hier geht es um die Betrachtung des Einzelfalles, in der Summe sowie Gewichtung "gewichtiger Anhaltspunkte". Dazu gehören die Prüfung der direkten und indirekten Äußerungen des Kindes als auch dessen Verhalten und Handeln. Daneben muss das Erscheinungsbild des Kindes, das Verhalten der Eltern bzw. der häuslichen Gemeinschaft und die Faktenlage (familiäre Situation, Risikofaktoren, Wohnsituation, wirtschaftliche Situation, u.a.) betrachtet werden um Schlussfolgerungen ziehen zu können.
Kindesmisshandlungen setzten sich meist aus mehreren Elementen zusammen. Das Kind erfährt dabei physische und/oder psychische Gewalt in Abhängigkeitsbeziehungen, sei es durch Handlungen und/oder Unterlassungen. Dazu zählen die körperliche und die emotionale Misshandlung sowie die Vernachlässigung, welche oft ineinander übergehen. Ein sexueller Missbrauch liegt vor, wenn gegen den Willen des Kindes sexuelle Handlungen an ihm ausgeführt oder ihm ohne Körperkontakt gezeigt werden. Durch diese negativen Einwirkungen ist das Kind aktuell oder potenziell in seiner Gesundheit, Entwicklung und Würde gefährdet.
Die Abschätzung des Gefährdungsrisikos stellt eine zukunftsbezogene Einschätzung dar. Damit wird auf die Vermeidung weiterer Schädigungen und den damit verknüpften Handlungsauftrag verwiesen, nicht bis zum letzten Moment zu warten.
Das Land Berlin hat eine Liste von Indikatoren für Kindeswohlgefährdung zusammengestellt, die darauf hinweisen können, dass eine Gefährdung vorliegt. Diese enthält jedoch nicht alle Hinweise auf Gewalt. Wir haben einen Teil der „Berlin einheitlichen Indikatoren“ des Kinderschutzbundes übernommen:
Erscheinungsformen |
Gefährdende Handlungen oder Unterlassungen |
Vernachlässigung |
Unterlassung von:
|
Physische Misshandlung, Gewalt |
Schlagen, schütteln, einsperren, würgen, fesseln, verbrennen, stoßen, treten, boxen, mit Gegenständen bewerfen, an den Haaren ziehen, mit Fäusten oder Gegenständen prügeln, mit dem Kopf gegen die Wand schlagen u.ä. |
Seelische Misshandlung |
|
Häuslich Gewalt |
Miterleben von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Bezugspersonen (schlagen, treten, beschimpfen, drohen, beleidigen, demütigen, vergewaltigen u.ä.) |
Im Zusammenhang mit dem Erscheinungsbild des Kindes gilt, dass die Gesamtsituation
bewertet werden muss. Gegebenenfalls muss dies über einen längeren Zeitraum geschehen. Ein oder mehrere zutreffende Anhaltspunkte aus der Tabelle von Seite 3 bedeuten nicht zwangsläufig, dass das
Kind von Gewalt betroffen ist. Ein Kind kann auch Gewalt erfahren, wenn keiner dieser Punkte zutrifft!
Erscheinungsbild des Kindes |
Anhaltspunkte |
Körperlich |
Über-/Untergewicht, unangenehmer Geruch, unversorgte Wunden, chronische Müdigkeit, nicht witterungsgemäße Kleidung, Hämatome, Narben, Krankheitsanfälligkeit, Knochenbrüche, auffällige Rötungen oder Entzündungen im Anal- und Genitalbereich, körperliche Entwicklungsverzögerungen |
Kognitiv |
Eingeschränkte Reaktion auf optische und akustische Reize, Wahrnehmungs- und Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwäche, Verzögerung der Sprach-und/oder Intelligenzentwicklung |
Psychisch |
Apatisch, traurig, aggressiv, schreckhaft, unruhig, schüchtern, ängstlich, verschlossen, Angst vor Verlust, sich schuldig fühlen für das Verhalten von Bezugspersonen |
Sozial |
Hält keine Grenzen/Regeln ein, distanzlos, Blickkontakt fehlt, beteiligt sich nicht am Spiel |
Sonstige Auffälligkeiten |
Schlafstörungen, Essstörungen, Einnässen, Einkoten, Stottern, Selbstverletzungen, sexualisiertes Verhalten, Fernbleiben von der Tageseinrichtung, delinquentes Verhalten, Weigerung nach Hause zu gehen, Bericht über Gewalttätigkeiten in der Familie |
Als Kindertagesstätte sind wir in den Schutzauftrag eingebunden und zu umfassender Aufmerksamkeit verpflichtet. Unsere Einrichtungskultur fördert die Wahrnehmung möglicher Anzeichen von Kindeswohlgefährdung sowie die Erörterung diesbezüglicher Themen.
Unsere Redekultur und Arbeitsatmosphäre stützt die Mitarbeiter als auch Erziehungsberechtigten, Fragen zurVergewisserungen stellen zu dürfen. Das Team zeichnet sich trotz kollegialer Verbundenheit durch eine professionelle Distanz aus. Wir tragen Beobachtungen im Erzieher Team zusammen und reflektieren diese umgehend.
Bei Verdachtsfällen werden sofort die erste und dritte Vereinsvorsitzenden informiert. In diesem Zuge tritt eine Verfahrenskette in Gang. Das folgende Fließdiagramm Schnelle Hilfe - Vorgehen nach § 8a SGB VIII verdeutlicht diese Kette als eine lückenlose Bearbeitung des Falles bis zur Aufklärung der Verdachtsmomente.
Beschreibung und Umgang von Verdachtsfällen bei internem Machtmissbrauch
Der Schutzauftrag bezieht sich auch auf mögliche Gefahren innerhalb der Einrichtung, inklusive aller Ausflüge und Reisen. Es kann zu Kindeswohlgefährdungen durch Mitarbeiter und Praktikanten aber auch durch die betreuten Kinder selbst kommen.
Grenzverletzungen oder -überschreitungen beschreiben in der Regel ein einmaliges oder gelegentliches unangemessenes Verhalten gegenüber Kindern. Dazu zählen z.B.:
Im Gegensatz zu Grenzverletzungen passieren Übergriffe nicht zufällig oder aus Versehen. Sie sind mehr ein Ausdruck eines unzureichenden Respekts gegenüber den Kindern, grundlegender fachlicher Mangel und/oder Teil einer gezielten Desensibilisierung im Rahmen der Vorbereitung eines sexuellen Missbrauchs oder Machtmissbrauchs. Übergriffige Verhaltensweisen überschreiten die innere Abwehr und können sowohl die Körperlichkeit und Sexualität verletzen, als auch Schamgrenzen. Auch psychische Übergriffe, wie massives unter Druck setzen, Diffamierungen, Nichtbeachtung usw. sind Kindeswohl gefährdend. Auf der nächsten Seite finden Sie ein übersichtliches Handlungsschema bei Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung durch Mitarbeiter in Kindertageseinrichtungen.
Daneben kann es auch innerhalb der Kindergruppe zu Übergriffen kommen. Unter den über griffigen Kindern gibt es solche, die andere dominieren wollen und sich mit der Einhaltung von Grenzen schwer tun. Einige versuchen, eigene Gefühle von Ohnmacht oder Hilflosigkeit durch (sexuell) über griffiges Verhalten zu kompensieren. Bei sehr jungen Kindern kann noch die fehlende Kontrolle von Impulsen Ursache sein. Sexuell über griffige Kinder haben ein Recht auf Hilfe! Um ihr über griffiges Verhalten zu beenden und die dahinterliegenden Ursachen zu bearbeiten, schauen wir als qualifizierte pädagogische Fachkräfte hin und gehen sensibel auf die Kinder ein. Gegebenenfalls leiten wir Informationen über spezialisierte Beratungs- und Behandlungsangebote an die Erziehungsberechtigten weiter.
Beschwerdemanagement
Unsere pädagogischen Fachkräfte bieten den ihnen anvertrauten Kindern ein sicheres und geborgenes Umfeld. Dies verfolgen wir durch: kontinuierliche Weiterbildungen, die Schulung unserer Wahrnehmungen möglicher Gefährdungen, unsere transparente Arbeitsweise im Team und unsere kurzen Informationsketten. Der achtsame Umgang im Kinderladen, die offenen Türen und unsere kollegialen Absprachen geben Tätern wenig Möglichkeiten Grenzen zu überschreiten. Die Sensibilisierung aller Kinderladen-Mitarbeiter bildet die Grundlage für angemessene Interventionen.
Vielen fällt es nicht leicht, eine Beschwerde als Chance zu betrachten. Oft werden Äußerungen der Unzufriedenheit oder Kritik, z.B. an Verhaltensweisen oder Entscheidungen, als persönlicher Angriff oder Kränkung erlebt. Eine Beschwerde vorbringen zu können, die gehört wird, die Veränderungen bewirken kann, ohne Angst vor Sanktionen, ist ein wichtiger Beitrag zum Schutz von Kindern vor Gefährdung. Der Kinderladen steht für eine beschwerdefreundliche Einrichtungskultur, die durch Wertschätzung, einem positiven Bild vom Kind und Fehlerfreundlichkeit geprägt ist. Nur wer sich beschweren darf, ist wirklich an der Gestaltung beteiligt.
Durch ein hohes Maß an altersgerechter Partizipation von Kindern und Eltern im Kinderladenalltag, die Ermutigung aller, ihre Meinung frei äußern zu können, den Zuspruch den sie erfahren, wahrgenommen und gehört zu werden, vermittelt den Beteiligten ernst genommen zu sein und angstfrei ihre Beschwerden vortragen zu können. Bei Bedarf, z.B. bei jüngeren Kindern, hilft ein Beschwerdehelfer oder Ideenfinder bei der Formulierung und Lösungsfindung, damit das Kind aktiv und mündig agieren kann. Kinder werden über ihr Recht auf Achtung der persönliche Grenzen und über Hilfsangebote in Notlagen informiert und erhalten regelmäßig Präventionsangebote, z. B. durch die STOPP-Regel.
Werden Beobachtungen oder Beschwerden von Außen, den Eltern oder Mitarbeitern vorgetragen, steht grundsätzlich der Schutz des Kindes und der betroffenen Mitarbeiter im Mittelpunkt. Der Vereinsvorstand bearbeitet und prüft zusammen mit der Kinderschutzkraft des Vereins, bewertet und schätzt den Vorfall anhand der bekannt gewordenen Tatsachen ein und berät über das weitere Vorgehen, Lösungsansätze und ein Feedback an den/die Beschwerdeführer.
Sollte ein Straftatbestand erfüllt sein, wird mit Konsequenzen nicht erst bis zum Abschluss eines Strafverfahrens abgewartet. Dazu können die sofortige Freistellung vom Dienst, Informationen an die Eltern und Kitaaufsicht und das vertiefte Prüfen durch Hinzuziehen einer externen "insofern erfahrenen Fachkraft" (ieFK) gehören. Die anschließenden Schritte können je nach Fall folgende Maßnahmen beinhalten: Team Gespräche, Supervision, Einzelcoaching, Elterninformationen zum Umgang mit dem Fall, Gruppen- und Elterngespräche zur Aufarbeitung, Überprüfung des Schutzkonzeptes und des pädagogischen Konzeptes.
Quelle:
Dachverband Berliner Kinder und Schülerläden (DaKS) e.V
http://www.daks-berlin.de/downloads/leitfaden_kinderschutz_kindeswohlgefaehrdung.pdf
basierend auf der Publikation der Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen (BAGE) e.V (2015)
http://bage.de/publikationen/bage-kinderschutzleitfaden/
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V (2016)
Arbeitshilfe Kinder und Jugendschutz in Einrichtungen. Gefährdung des Kinderwohls innerhalb von
Institutionen Berlin
http://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/kinder-und-jugendschtz-in-einrichtungen-2016_web.pdf
Kinderschutz Zentrum Berlin e.V (2009)
Kindeswohlgefährdung Erkennen und Helfen Berlin